Privatsphäre ist nicht mehr das, was es mal war

16. November 2013 Kategorien: Online | Social Media |

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BERLIN In der Landesvertretung Hamburg in der Jägerstraße in Berlin fand am Abend des 27. November die erste öffentliche Veranstaltung der Stiftung Datenschutz statt. Das hochkarätig besetzte Podium diskutierte vor etwa 150 interessierten Gästen.

Der erste Bundesbeauftragte für den Datenschutz (1978 bis 1983) Prof. Dr. Bull stellte in seiner Einführungsrede zur Rechtslage fest, dass die USA schlicht rechtswidrig handeln, wenn sie eigene Landsleute und Ausländer ausspähen.

„Jedenfalls gilt in Amerika das „4th Amendment“, das verbietet, Menschen ohne Verfahren zu beobachten. Unser Grundgesetz steht dem in nichts nach, ebenso wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und weitere internationale Pakte. Das ist eigentlich alles klar und braucht nicht diskutiert zu werden.“

Allerdings sieht Bull die Schwierigkeiten in der Durchsetzung des geltenden Rechts.

Moderator Stefan Krempl eröffnet die Diskussion vor dem Hintergrund der NSA Affäre, dem „größten Datenschutzskandal der Weltgeschichte“. 2013 sei das Jahr der „Datenschmelze“. Die Diskutanten stellen sich daraufhin mit höchst unterschiedlichen Einstellungen zum Wert von Privatheit vor.

Christian Heller (Buchautor) und Wortführer der Post-Privacy-Bewegung führt ein sogenanntes „Ich-Wiki“ und legt sein Leben offen. Mit mehr Transparenz umzugehen, sei „langfristig eine notwendige Taktik“.

Positiv daran sieht er: „Wenn viele Leute nackt sind, fällt es schwerer, Nacktheit zu skandalisieren.“

Peter Schaar, der amtierende Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hält dem entgegen: „Ich hab nichts gegen FKK-Strände, aber die ganze Gesellschaft zu einem FKK-Strand zu machen, würde mir nicht einfallen. Ich will entscheiden können, was ich von mir preisgebe. Das ist voll 80s, das weiß ich.“

Constanze Kurz: „Habe im Rahmen meines Hackertums mit vielen sensiblen Daten zu tun und bin entsprechend schutzbedürftig.“ Frau Kurz verweist auf alte Hackerethik: „Persönliche Daten schützen, öffentliche Daten nützen.“ Durch Big Data Analytics verwische diese Grenze aber zunehmend.

Prof. Dr. Heckmann forscht zum Thema Privatheit und macht sich Gedanken um seine Kinder und die Zukunft. „Was wir jetzt schon wissen, kann schon sorgen, aber wir wissen gar nicht, was noch alles dazukommt.“ Sorgen machen ihm zum Beispiel Formulierungen in den AGBs von Facebook, die auch zukünftige Verwendung von Daten einschließen.

„Privatheit ist die kleine Schwester der Menschenwürde.“

Scot Stevenson, amerikanischer Blogger in Berlin, konterte die Frage auf Unterschiede in der Bewertung von Privatheit bei Deutschen und Amerikanern mit einer Umfrage im Saal: Er wollte wissen, wer seinen Personalausweis bei sich führt. Nahezu 100 % der Gäste hoben die Hand. „Das ist der Moment, in dem alle Amerikaner, Engländer, Kanadier, alle Angelsachsen nach hinten umfallen.“ Amerikaner haben keinen Ausweis. Dort könne man nicht verstehen, dass der Staat wisse, wo die Bürger wohnen.

Zugespitzt könne Deutschland amerikanischen Bürgern leicht als ein „totalitärer Überwachungsstaat“ vorkommen.

Diskutiert wurde auch das Privacy Paradox: Viele Menschen geben an, dass ihnen Privatheit viel bedeute; ergeben sich aber Vorteile durch Abgabe von Daten, dann träten alle Bedenken zurück.

Prof. Dr. Caspar, Landesbeauftragter für den Datenschutz in Hamburg (wo Unternehmen wie Google und Facebook sitzen): „Vieles von dem Begriff der alten Privatheit ist erodiert.“ Er bedauert: „Der Begriff „Freunde“ entwertet sich für die digitale Generation.“ Professor Caspar meint aber, dass es auch auf Facebook eine Art Privatheit gibt, die man sich eben durch Voreinstellungen erarbeiten müsse.

Insgesamt ergibt sich aus der Diskussion ein hoher Bedarf an der Erforschung von Privatheit, an Aufklärung und an Transparenz in Politik und datenverarbeitenden Unternehmen.